An diesem Samstag fahre ich von Ostrach nach Reichenbach, bei Schussenried. Zwei junge Menschen gaben sich in der dortigen Kirche das Ja-Wort. Reichenbach? War ich ehrlich gesagt noch nie! Die beiden haben mir einen Plan dazugelegt, wie ich sicher nach Reichenbach komme. Über einen Routenplaner im Internet habe ich es mir nochmals angeschaut. Die Kirche, mitten im Dorf. Ist sie das noch? Am vergangenen Donnerstag trafen sich Priester und Diakone des Dekanates Sigmaringen- Meßkirch in Gorheim. Mit einem impuls in der Kirche begann die Sitzung. Das erste Lied, „Ein Haus voll Glorie schauet, weit über alle Land, aus ewigem Stein erbauet, von Gottes Meisterhand.“ ( Joseph Mohr 1875) Es war die Zeit des Kulturkampfes unter Bismarck, als die Kirche um ihren Platz kämpfen musste, das heißt unabhängig vom Staat wirken zu können. Eine ähnliche Zeit, das tausendjährige Reich 1933 bis 1945. Die Glorie ist in die Jahre gekommen, der ewige Stein bröckelt. Der Mißbrauch prägt das Bild von Kirche. Eine Frage der Konferenz war, „Geistlicher sein in dieser Zeit.“ Lange haben wir darüber gesprochen. Ein ehrlicher Blick ist vonnöten, so schmerzhaft er auch sein mag. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen ist es noch immer schmerzhaft. Kirchweih war und ist für mich nie ein Tag des Triumphalismus . Keine Selbstdarstellung. Eher ein Tag der Profilsuche. Die erste Strophe des Liedes ist geblieben. Hans W. Marx hat 1972 die alten Strophen 2 bis 5 durch neue ersetzt. Die Kirche ist erbauet auf Jesus Christ allein (3); seht Gottes Zelt auf Erden, verborgen ist er da (4); sein wandernd Volk will leiten (5). Eine Strophe berührt mich besonders, wenn es in der vierten heißt, „ In menschlichen Gebärden; bleibt er den Menschen nah.“ An dieser Stelle hat Kirche Vertrauen verloren und hat Schuld auf sich geladen. Weil moralischer und ethischer Anspruch und gelebte Wirklichkeit immer wieder weit auseinander liegen. Manche sprechen von Doppelmoral in der Kirche. Viel Vertrauen wurde zerstört. Vertrauen kann nur gewonnen werden, mit Demut in sich selbst, Ehrlichkeit den Menschen und ihren Biographien gegenüber. „In menschlichen Gebärden; bleibt er den Menschen nah.“ So sehe ich meinen priesterlichen Dienst, Menschen zu begleiten, mit ihnen nach Wegen zu suchen, nach Antworten auf ihre Fragen, Fragen, die manchmal auch die meinen sind. Zuzugeben, nicht immer Antworten zu haben, nicht alles zu können, nicht immer recht haben zu müssen. Kirche ist mehr als die Institution, Kirche sind nicht nur Gebäude, und schon gar nicht nur die Hauptamtlichen, die Priester. Kirche ist das pilgernde Volk Gottes, auf dem Weg durch diese Zeit. Einen schönen Kirbesonntag!! Pfarrer Meinrad Huber, Ostrach