Ostrach – Lausheim – In den letzten Monaten gewann der Schwarze Vere immer mehr an Bekanntheit. Das liegt nicht zuletzt daran, weil die Gemeinde mit den Nachbarn Riedhausen und Königseggwald die Initiative „Dreiländereck in Räuberhand“ bildete und damit Fördermittel aus dem Regionalentwicklungsprogramm Leader gewann, um im Frühsommer 2018 die Räubertage mit einem Freilufttheater „Wenn der Schwarze Vere kommt…, eine humorvolle Räuber- und Liebesgeschichte aus dem Ostrachtal“ zu gestalten. Was ihn ein bisschen zur Legende machte, ist sicherlich die skurrile Art, wie er ums Leben kam. Er lebte mit seiner Bande von 1817 bis zu seiner Festnahme am 16. April 1819 in der Nähe der Laubbacher Mühle, hier im Dreiländereck und hielt vor allem die Landwirte in Angst und Schrecken, weil er stets deren Vorratskammer ausräuberte. Nach seiner Festnahme wurde der Schwarze Vere nach Biberach, in den damaligen Gerichtsbezirk, gebracht und im Ehinger Tor in Ketten gelegt. Während eines Unwetters am 20. Juli 1819 schlug der Blitz in das Gebäude ein und traf den gefesselten Häftling, der mit bürgerlichem Namen Xaver Hohenleiter hieß und aus Rommelsried in Bayern stammte.
Doch die Gemeinde Ostrach hat noch mehr zu bieten. Etwa 100 Jahre vor ihm trieb hier die Alte Lisel ihr Unwesen. Der Lausheimer Peter Senn war unterwegs in Lippertsreute und wurde nach seiner Herkunft gefragt. Daraufhin wurde er auf die Geschichte der Elisabetha Frommerin, die heute als Alte Lisel bekannt ist, angesprochen. „Da wurde ich wunderfitzig“, sagte er und begann zu recherchieren. Was er bis dahin über die Anführerin einer Diebesbande, die unter die „Sackgreifer und Beutelschneider“ fiel, die der Historiker Andreas Blauert an der Universität Konstanz in einem Büchlein zusammengefasst hat, in Erfahrung bringen konnte, veröffentlichte Peter Senn in der Festschrift zum 750-jährigen Jubiläum von Lausheim. Ortsvorsteher Hubert Frank bezeichnete sie in seiner Laudatio zum damaligen Fest als „Schwester zum Schwarzen Vere“.
Die Alte Lisel war etwa 40 Jahre, als sie in der Nacht vom 27. Januar 1732 im Hof des Bauern Sebastian Bernhardt in Lausheim festgenommen wurde. Dem Jäger Carl Heylig fiel auf, dass die Alte Lisel mit ihrer Bande beim Bauern übernachtete, aber am Sonntag morgens nicht zum Gottesdienst erschien. Daraufhin informierte er den Amtsmann in Salem, der eine 15-köpfige Streife schickte, die mit vier Schützen aus Ostrach und sechs weiteren Männern zur Verstärkung aus Magenbuch das Haus umstellten. Die achtköpfige Diebesbande wurde gefangen genommen und teilweise nach Bachhaupten gebracht, teilweise ins Gefängnis im Zisterzienserklosters Salem, wo der Alten Lisel dann auch der Prozess gemacht wurde.
Dass die Diebesbande nach Lausheim kam, war wohl eher ungeplant. Die Alte Lisel war eine erfahrene Landfahrerin und Diebin. Zusammen mit ihren Gefährten gehörte sie zu den Menschen ohne festen Wohnsitz, wie es nach Einschätzung im 18. Jahrhundert etwa zehn Prozent der Bevölkerung so erging. Ihre Spuren hinterließen sie in der Schweiz, dem Rhein entlang, am Bodensee, im Schwabenland, dem Allgäu bis hin nach Vorarlberg. Bereits 1729 wurde sie schon einmal von Jägern verhaftet und ins Gefängnis in Sigmaringen eingesperrt. Doch immer wieder gelang ihr die Flucht, wie auch damals in Radolfzell. Über Überlingen und Pfullendorf erreichte sie am Samstagabend Lausheim und bekam Quartier bei einem Bauern.
Zu ihrer Bande gehörte ihre etwa 15 Jahre alte Tochter Columbina, wie auch ihr vierter und recht junger Ehemann oder Galan Thomas Schidenhalm. Ihre vorherigen Männer verlor sie alle durch die Vollstreckung ausgesprochener Todesurteile. Mit dem 26-jährigen Thomas hatte sie zwar nun einen Beschützer und Liebhaber, aber er galt auch als ausgesprochen gewalttätig. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, konzentrierten sich die Frauen – vor allem Columbina – auf Taschendiebstähle, aber auch Kleidungsstücke und Kurzwaren. Teilweise prostituierten sie sich und es gibt Hinweise darauf, dass die Alte Lisel sogar die Dienste ihrer Tochter anbot. Die Männer dagegen brachen ein und Thomas betrieb Zuhälterei. Anderseits waren sie füreinander da und hielten zusammen. Als die Alte Lisel ihr zweites Kind zur Welt brachte, steckten ihr die Bandenmitglieder Ersparnisse und sonstige Zuwendungen zu, damit sie in Ruhe die Zeit im Kindsbett verbringen konnte.
Nach monatelanger Beharrlichkeit brach die Alte Lisel am Ende doch ihr Schweigen und legte ein umfangreiches Geständnis ab. Das Verhörprotokoll umfasst knapp 500 Seiten und ist im Generallandesarchiv in Karlsruhe aufbewahrt. Und damit besiegelte sie ihr Schicksal und das ihrer Bande „von Sackgreifern und Beutelschneidern“. Im Kloster Salem wurde ihr der Prozess gemacht. Er war wohl einer der umfangreichsten, den die Richter des Reichsstiftes Salem, dem Lausheim zu dieser Zeit untergeordnet war, bis dahin geführt hatten.
Die Alte Lisel wurde am 17. August 1732 hingerichtet, ihr Ehemann Thomas am 9. September. „Insgesamt verloren damals mehr als zehn Menschen ihr Leben „durch Strang und Schwerd“, steht es an einem Anschlag neben ihrer Gefängniszelle geschrieben.
Inhaftiert wurde die Gaunerin in der heutigen „Weinstube zum alten Gefängnis“. Im „Langen Bau“, einem Renaissance-Gebäudes, das zu Beginn des 30-jährigen Krieges entstand, war das Gefängnis, in dem heute die Gäste nicht mehr gefangen gehalten werden, sondern stattdessen mit besonderen markgräflichen Weinen und kleinen Spezialitäten „gefesselt“ werden sollen. In der Mitte der Weinstube ist ein originalgetreuer Nachbau der Zelle, in der die Alte Lisel ihre letzten Tage verbrachte. Um die Szene lebendiger zu gestalten, steht in diesem winzigen Raum hinter Gittern eine Puppe im schwarzen Spitzenkleid. Dahingegen erinnert heute in Lausheim nichts mehr an die damalige Zeit. Selbst der Bauernhof von Sebastian Bernhardt steht nicht mehr.