Spinnen für jedermann

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Ostrach-Habsthal – Die Verarbeitung von Rohwolle und das Spinnen zum Zwirn, um daraus Wolle zu gewinnen, demonstrierte die Webmeistern Hildegard Igel in ihrer Webstube neben dem Klosterladen. Nachdem sie bereits einige Schülerinnen hatte, die mit dem Verzwirnen der kadierten Schurwolle beschäftigt waren, betrat der 69-jährige Gerry Fuchs aus Schaffhausen den Raum. Sein Wunsch: „Ich möchte meine Spinn-Kenntnisse auffrischen“. Dabei erzählte er, dass er 14 Spinnräder zu Hause habe und das Spinnen schon früher lernte. Aber der Alltag ließ ihm kaum eine Möglichkeit, das Erlernte zu verfestigen. Nach einem Unfall mit einer Operation an der Hand betrachtete er es als gute Trainingsmaßnahme für seine rechte Hand. Und so machte er sich auf den Weg nach Habsthal, um das Angebot der Webmeisterin in Anspruch zu nehmen.

Hildegard Igel führte an einer Maschine vor, wie das Kardieren der Wolle am Einfachsten geht. „Vorher“, erklärte sie, „wird die Schur, hier im Kloster ist sie von den Coburgern Fuchsschafen, im Regenwasser gewaschen und zum Auflockern in die Kardiermaschine gegeben.“ Anschließend konnte es mit dem Spinnen losgehen. Wahlweise stand dafür das Spinnrad zur Verfügung und „einer Spindel, die einem Fund aus dem Bodensee, einem Steinzeitfund, nachgebaut wurde.“ Das war Spinnen in einer ursprünglichen Form. Die Webmeisterin beschrieb darüber hinaus, welche Spindelvarianten es noch gibt auf der Welt und behielt dabei ihre Teilnehmer im Auge, um weiterzuhelfen, wenn es Fragen gab. Zur Arbeit mit dem Spinnrad wusste sie aus ihrer langjährigen Erfahren zu sagen: „Das beruhigt und erleichtert die Arbeit.“ Dabei erklärte sie das Prinzip des Zwirns und achtete immer darauf, dass er in die richtige Richtung gedreht wurde. „Immer im Uhrzeiger-Sinn“, wiederholte sie mehrmals. Sie erklärte, dass ein Strickstück sonst nach rechts laufe, wenn der Zwirn nicht die richtige Drehung hätte.

Diese alte Handwerkskunst ist längst zu ihrer Berufung geworden. Hildegard Igel stammt gebürtig vom Arlberg und lebt seit Jahren in Boms. Sie erarbeitete sich die Spinn-Kunst selbst und beherrscht diese Technik von der Pieke auf. „Von meiner Großtante habe ich als junges Mädchen ein Spinnrad geerbt“, erzählte sie. Nachdem sie geheiratet hatte, wünschte sie sich einen Teppich. Doch diesen musste sie sich selbst machen, da damals kein Geld dafür da war. „Mein Schwager hatte Schafe, aber das Spinnen musste ich mir selbst beibringen.“ Es gab niemanden, der es ihr hätte zeigen können und so probierte sie so lange, bis die ersten Ergebnisse sichtbar wurden. „Dann wurde ich richtig süchtig“, sprudelte es begeistert aus ihr heraus. Die passionierte Dame hat jedes Garn gesponnen, eingefärbt und webte alle Heimtextilien selbst, nachdem sie sich einen Webstuhl angeschafft hat. „Und das blieb meine Leidenschaft seit 45 Jahren!“ Die Expertin hat von sich Reden gemacht und wurde vom Landesdenkmalamt für Rekonstruktionen angesprochen. „Einmal habe ich für eine Auftraggeberin eine keltische Tracht gewebt“, so Hildegard Igel. „Die alten Techniken auszuprobieren und zu erforschen, interessiert mich sehr.“ Nun zeigt sie Interessierten in ihrer Webstube im Kloster Habsthal viele Techniken, Tricks und Kniffe, um diese fast vergessene Handwerkskunst weiterzugeben.

Webmeisterin Hildegard Igel erklärt Gerry Fuchs, wie er die kardierte Schur mit einer Spindel zum Zwirn spinnen kann