G`schicht´l über Lenny – von Wolfgang Stöger Teil 2

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Fortsetzung….

Sein nächster Besuch war noch nicht abzusehen. So wartete ich zu. Ich fragte immer wieder bei der Zimmerreservierung nach, ob Herr Bernstein schon reserviert habe. Es dauerte fast ein halbes Jahr bis ich freudig zur Kenntnis nahm, dass Lenny eine Reservierung für fünf Tage im Oktober 86 gemacht hat. Ich freute mich enorm und teilte es allen mit. Es wurde natürlich wieder alles vorbereitet wie gewünscht. Der schwarze Flügel, die Open Bar, die Tafel im Salon, die roten Rosen und weitere Wünsche. Schlichtweg, es war wieder alles perfekt für den Maestro. Die Direktion war wieder vollständig angetreten. Direktor, Empfangschef, Hausdame, Oberkellner und als letzter in der Reihe: ich.

Die schwarze Limousine hielt vor der Tür. Sein Manager und Sekretär kamen durch die Drehtür, dahinter erblickte ich ihn schon. Lenny war wieder da! Ich sehe ihn noch genau vor mir: gekleidet mit Jeans, einem riesigen Adler als Gürtelschnalle, Cowboy-Stiefel, einer grünen Bomberjacke und weißem Seidenschal. Jetzt erblickte er mich auch und kam schnurstracks auf mich zu, umarmte mich und sagte: „I`m very happy to see you again Wolfgang, how are you?” (“Ich freue mich sehr, dich wiederzusehen, Wolfgang, wie geht es Dir?“) Ich wusste nicht, wie ich meine große Freude treffend zum Ausdruck bringen konnte und war nur zu einem „Th ank you, Maestro, I`m  very happy to see YOU again“, fähig, wobei ich das YOU extra betonte. (Danke, Maestro, ich freue mich sehr, DICH wiederzusehen“)

Nun ging es aufs Zimmer und ich durfte mit dem Maestro im Lift hochfahren. Im Zimmer angekommen machte ich natürlich sofort einen Drink für ihn bereit, den er wohlwollend zu sich nahm. An diesen Abend war er wohl schon zu müde, um abends zu essen.Am darauffolgenden Abend jedoch, es war ca. 20 Uhr, läutete mein Handy. Schon am Klingelton erkannte ich, dass der Anruf von außer Haus kam. Eine Stimme, die ich nicht kannte sagte:„Hallo, hier ist das Büro der Wiener Staatsoper. Ich habe Ihre Nummer vom Manager des Herrn Bernsteins. Der Maestro hat Durst. Kommen Sie in einer halben Stunde zum Bühneneingang mit allem, Sie wüssten schon womit“.

Nun schnappte ich mir ein Tablett, die Flasche Ballantines 12 Years, Gläser, einen Kübel mit Mundeis und trabte los.  In der Eile und der Verwunderung über den eher ungewöhnlichen Wunsch des Maestros, hatte ich nicht daran gedacht zu fragen, wo ich denn genau damit hinkommen sollte. Die Oper ist groß. Wo ist der Bühneneingang? Gott sei Dank, am Telefon hatte ich noch die Nummer des letzten Anrufs, welche ich wählte. Nun, ich sollte mich beim Portier des Bühneneingangs melden. Der wusste schon Bescheid, das ich kam und leitete mich weiter. Im 3. Stock angekommen stand ich vor einer Türe, auf der „Bühne“ stand. Ich klopfte.

„Yes, Wolfgang? Come in“, hörte ich den Maestro rufen. („Ja, Wolfgang? Kommen Sie rein“) Nun öffnete ich die Türe und trat ein. Der Maestro saß in einem Frack am Tisch. Ich stellte das Tablett ab, endlich, hat ja auch Gewicht, und machte ihm seinen Drink bereit. Er bedankte sich und ich ging wieder. Um 22.30 Uhr war er zurück im Hotel. Ich ging sofort hoch auf sein Zimmer. Alle Gäste waren schon im Salon, nur der Maestro nicht. Er war noch im Schlafzimmer, um sich umzukleiden. Dann kam er im Schlafrock in den Salon und sagte zu seinen Gästen: „Thank you all for coming. May I introduce you to my best friend in Vienna?” (“Danke, dass Ihr alle gekommen seid. Darf ich Euch meinen besten Freund in Wien vorstellen?“) Dabei zeigte er auf mich. „This is Wolfgang. He will serve us dinner. Wolfgang, what´s the menu for tonight?” fragte er. (“Das ist Wolfgang. Er wird uns das Abendessen servieren. Wolfgang, was steht für heute Abend auf dem Speiseplan?”) “Maestro, for tonight I will do for you and your guests something special. I will do Beef Tartare ready in your room.” (“Maestro, für heute Abend werde ich für Sie und Ihre Gäste etwas Besonderes machen. Ich werde Beef Tartare hier auf dem Zimmer zubereiten.“) “You´re sure?”, fragte er. („Sicher?“) “Yes, of course“, antwortete ich. („Selbstverständlich“)

Natürlich hatte ich das im Vorfeld mit dem Küchenchef schon abgesprochen, den ich sofort anrief, um ihm mitzuteilen, dass mein Vorschlag vom Maestro angenommen wurde. Nun ging´s los. Die Gedanken schossen mir durch den Kopf. Mise-en-place arbeiten, was brauch ich alles dazu? Natürlich musste ich in der Zwischenzeit auch noch Drinks zubereiten. Nichts vergessen, alles gut organisieren. Schlussendlich hatte ich alles beisammen, um loslegen zu können. Beef Tartare für zehn Personen am Zimmer vor dem Gast zubereiten. „Bin ich irre?“, dachte ich mir. „Nein, das will ich machen, um dem Maestro zu zeigen, wie ich mich um ihn bemühe“, führte ich meinen Gedankenaustausch im Kopf weiter.

Ich rührte los. Die ersten Kostgabeln gingen durch die Runde. Es war noch sehr mild. Nun etwas mehr Tabasco, auch noch Kapern und gut war es, dachte ich. Alle ließen sich servieren, nur der Maestro nicht. Er schaute mich an und fragte: “Wolfgang, you do a great job here, but can you do another special, only for me?” (“Wolfgang, Sie haben das großartig gemacht, aber könnten Sie noch etwas Spezielles machen, nur für mich?“) “Yes, natürlich!“, versicherte ich ihm.  Ich lief zur Bar und holte eine Flasche Cognac. Davon mischte ich einen kräftigen Schuss unter. Dabei sah ich, wie seine Augen leuchteten. Ich hatte voll ins Schwarze getroffen. Beim Servieren seines Tellers sah ich, wie glücklich er darüber war. Nach dem Essen räumte ich den Tisch ab, mixte noch ein paar Drinks und hinterließ das Zimmer wieder sauber.

 

…. Fortsetzung folgt am 19. Mai 2018