G`schicht´l über Lenny – von Wolfgang Stöger

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Wer ist hier gemeint? Nun, es handelt sich um keinen geringeren als Leonhard Bernstein (geboren am 25.08.1918 in Lawrence, Massachusetts; gestorben am 14.10.1990 in New York City). Er war ein amerikanischer Komponist, Dirigent und Pianist ukrainisch-jüdischer Abstammung.

Doch nun zu meinem G`schicht´l (Erlebnissen) mit Leonhard Bernstein.

Es muss so etwa Frühling im Jahre 1986 gewesen sein. Damals hatte ich meine Scheidung gerade hinter mich gebracht. Jedoch hatte ich das Glück, meine jetzige Frau schon kennengelernt zu haben, als damals der Hoteldirektor mit einer relativ merkwürdigen Frage auf mich zukam. Wie schon erwähnt, es war Frühling ´86 und ich machte Dienst im Roomservice als Demi-Chef und vorwiegend Abenddienst.

Der Herr Direktor richtete folgende Frage an mich: „Herr Stöger, es kommt in der nächsten Woche ein sehr prominenter Gast zu uns, der einige Bitten an uns gerichtet hat. Er möchte immer nur den selben Kellner sehen, der ihn betreut, es wird immer am Zimmer gegessen, meistens werden Gäste erwartet und er wird so 12 – 14 Tage bleiben. Wollen Sie das machen?“. Daraufhin fragte ich, wer der Gast sei und „wie stellen Sie sich das vor“?

„Nun, sein Name ist Leonhard Bernstein. Er wird in der Oper dirigieren und danach mit Gästen in der Suite speisen. Sie würden den Abenddienst übernehmen. Wäre das für Sie in Ordnung?“Ich muss gestehen, dass ich nicht wusste, wer Leonhard Bernstein war, geschweige dem, was er machte. Aufs gerade Wohl sagte ich zu.

Dann, endlich, war es soweit. Leonhard Bernstein kam an im Hotel. Die Suite mit angrenzenden Schlafzimmern links und rechts des Salons, war auf das feinste vorbereitet. Im Salon stand extra ein schwarzer Bösendorfer Flügel, eine Open Bar war vorbereitet und eine Tafel für zehn Personen war ebenfalls schon vorbereitet.

Der Hoteldirektor wollte mich nach seiner Begrüßung des sehr prominenten Gastes Herrn Bernstein vorstellen. Doch es kam ganz anders. Der Manager und der persönliche Sekretär des Maestros – so sollte ich ihn ansprechen – bestellten mich im Vorfeld auf ihr Zimmer, um mich über vieles zu Informieren. Nun machte ich erste Erfahrungen damit, worum es überhaupt ging. Natürlich hatte ich die Hosen voll, jedoch konnte ich auch einige Fragen loswerden, wie z. B. „spricht er deutsch, worauf legt er Wert, was hat er gern?“ Die Antworten darauf waren jedoch mehr als unzufriedenstellend.

Dem Hoteldirektor blieb nicht verborgen, dass ich immer nervöser wurde, je näher die Ankunft des Maestros kam. Es versammelten sich alle in der Empfangshalle des Hotels: Hoteldirektor, Empfangschef, Hausdame und Oberkellner und viele andere. Ich selbst sollte schon am Zimmer sein, um seinen Drink, Ballantines 12 years on the rocks, bereitzuhalten.

Endlich war es so weit: Ich wurde vom Hoteldirektor vorgestellt. „Nun, Maestro, das ist Herr Stöger und er wird Ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen.“ Der Maestro reichte mir die Hand und fragte: „What´s your first name?“ (Übersetzung: „Wie ist Ihr Vorname?“  Ich antwortete: „Wolfgang, Maestro“. „Hi“, antwortete er, „I`m Lenny“. („Hallo“, antwortete er, „Ich bin Lenny“.) In diesem Moment spürte ich, dass er mich wohl mag und meine Nervosität war wie weggeblasen.

Die folgenden Tage kamen immer wieder Gäste am Abend zum Essen. Heute sind es gewesene Bundeskanzler, Minister, Generaldirektoren. Damals waren es „Niemands“ für mich, weil ich sie schlichtweg noch nicht kannte. Im Großen und Ganzen verflogen die Tage schnell wie nie zuvor, ich konnte alle an mich gestellten Aufgaben erfüllen und fühlte mich sehr wohl dabei.

Dann war es soweit: Der Tag der Abreise kam. Natürlich war ich schon am Vormittag im Dienst um mich beim Maestro zu verabschieden. Er rief mich zu sich aufs Zimmer. „Hi Wolfgang, the time is come to say goodbye. Kann ich etwas für dich tun, willst du Autogramme oder Platten, oder sonst irgendwas?“ fragte er nach. („Hallo Wolfgang, nun ist die Zeit gekommen, einander zu verabschieden.“) Der Maestro sprach englisch und deutsch in einem, was anfangs extrem schwer für mich war. Nach einem kurzen Moment der Zögerung bedankte ich mich für seinen Besuch und fragte ob ich wirklich einen Wunsch äußern darf. „Natürlich, what can i do?” forderte mich der Maestro auf. (Was kann ich tun?) „I want to see you back soon” war meine Bitte. (“Ich möchte dich hier bald wiedersehen”) So umarmten wir uns beide und verabschiedeten uns voneinander.

 

….Fortsetzung folgt am 12. Mai 2018